Justine Ryan, Direktorin für Erneuerbare Energien, Vitol
Der Klimawandel und Russlands Angriffskrieg in der Ukraine führen dazu, dass sich viele Staaten verstärkt auf eine zuverlässigere, sauberere und günstigere Energieversorgung ausrichten. Obwohl erneuerbare Energien zunehmend an Bedeutung gewinnen – gemäss der Internationalen Energieagentur (IEA) werden sie 2022 rund 30 % der weltweiten Stromerzeugung ausmachen – verschiebt sich die Priorität von der Nachhaltigkeit hin zur Versorgungssicherheit.
Die Vorteile einer lokalen und sicheren Energieversorgung liegen für den europäischen Kontinent auf der Hand: billigerer Strom, der aus der im Überfluss vorhandenen Wind- und Sonnenenergie gewonnen wird, eine geringere Auslandabhängigkeit sowie eine hohe CO2-Effizienz.
Trotz vieler Vorteile bleiben zahlreiche Herausforderungen: die wechselhafte Stromerzeugung bei fehlender zuverlässiger Langzeitspeicherung, der Ausbau regionaler Stromnetze sowie langfristige Investitionen. Auch braucht es schnellere Genehmigungsverfahren um zu verhindern, dass bei mehrjährigen Projekten die technischen Anwendungen bei Bewilligung bereits veraltet sind.
Europas Energiepolitik erhält durch die Ankündigungen der EU, die staatlichen Beihilfen zu lockern, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Geld in strategische klimafreundliche Unternehmen zu investieren Rückenwind. Ob dies ausreicht, um Investoren davon zu überzeugen in Europa zu investieren und nicht in den USA, bleibt abzuwarten. Präsident Bidens Inflation Reduction Act (IRA) scheint derzeit einen koordinierteren und anreizstärkeren Ansatz zu bieten, zumal Europa eine umfassende Marktreform anstrebt, die zusätzliche Unsicherheit für Investoren mit sich bringt.
Europa bewegt sich jedoch in die richtige Richtung – die EU hat 2022 die Wind- und Solarkapazitäten weiter gesteigert (33 % Wind und 47% Solar mehr als 2021). Dieser Anstieg ist beispiellos. Nächstes Jahr werden weitere 60 GW Solarstrom erwartet.
Das Ziel, bis 2030 600 GW zu gewährleisten wird Behörden, Lieferketten, Stromnetze und Bauressourcen beträchtlich strapazieren. Während im Jahr 2022 90 % der neuen Windkraftkapazitäten an Land installiert wurden, wird ein ähnliches Wachstum im Offshore-Bereich angestrebt. Dafür braucht es beschleunigte Verfahren, gesicherte Lieferketten sowie eine Verbesserung beim Bau von Infrastruktur, sollen solche Projekte nicht erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts realisiert werden.
Regulatorische Stabilität, ein sicherer und wettbewerbsfähiger Strommarkt, verlässliche Versorgungsketten sowie klare Investitionssignale sind entscheidend für die langfristige und nachhaltige Versorgungssicherheit. Um bis 2030 im Rahmen des REPower EU-Projekts das 4-fache der Windkraft und das 7-fache der Solarkapazität zu erreichen (von 350 GW auf 1200 GW), braucht es Investitionen in der Höhe von € 1 Mrd. Ja, das ist eine grosse Herausforderung, aber eine, die Europa vereint bewältigen kann.
Die Energiebranche ist bereit, die Ressourcen sind vorhanden und Vitol ist ebenso entschlossen an diesem Wandel mitzuwirken, sofern auch die nötigen Rahmenbedingungen gegeben sind.