Jonathan Waters, General Counsel, Gafta
Gafta ist ein internationaler Handelsverband, der den Handel mit Agrarrohstoffen wie Getreide und Futtermittel vertritt. Der Verband hat als Aufgabe den freien Handel mittels des Vertrauensprinzips „Mein Wort gilt“ und durch den Abbau von Zöllen und nichttarifären Hemmnissen zu fördern. Gafta steht für den freien und offenen Handel ein und zählt über 2000 Mitgliedsunternehmen in 100 Ländern der Welt. 80% des weltweit gehandelten Getreides wird über Gafta-Verträge abgewickelt.
Gafta Verträge
Gafta stellt der Rohstoffhandelsbranche mehr als 80 Modellverträge zur Verfügung und publiziert dazugehörende Leitlinien. Letztere erhalten über das geltende englische Recht juristische Gültigkeit für abgeschlossene Verträge. Die Leitlinien enthalten Artikel betreffend Schiedsgerichtsbarkeit, Gerichtsstand, Versicherungen und Prüfungen.
Die Verträge und Leitlinien sind in der Industrie seit vielen Jahren weit verbreitet. Vertragsparteien müssen ihre Verträge damit nicht von Null auf aushandeln und können sich auf die bewährte Branchen- und Gerichtspraxis verlassen. Englisches Recht ist auf die Verträge anwendbar und die englischen Gerichte sind ausschliesslich für Streitigkeiten zuständig.
Gafta Schiedsgericht
Gafta ist auch eine internationale Schiedsstelle. Im Jahr 2023 gingen bei ihr 337 neue Fälle ein und es wurde Schadenersatz in Höhe von 162’522’377 USD zugesprochen. Die Zahl der Fälle spiegelt häufig geopolitische Ereignisse wider, die sich auf den Markt auswirken können (wie z.B. der Krieg in der Ukraine und die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer). Unsichere Marktverhältnisse führen in der Regel zu mehr Vertragsverletzungen, was bei der Gafta Schiedsstelle bis zu 1000 neue Fälle pro Jahr hervorrufen kann. Als Russland 2023 das Abkommen für ein sicheres Geleit im Schwarzen Meer aufkündigte, stiegen die Getreidepreise. Einige Händler erachteten ihre Verträge als Verlustgeschäft und kündigten sie deshalb.
Ein wesentliches Merkmal einer GAFTA-Schiedsgerichtsverhandlung ist der Ausschluss von Anwälten aus privaten Kanzleien. Die Vertretung durch den internen Rechtsbeistand einer Partei ist jedoch zulässig. Damit soll das Prinzip der Handelsschiedsgerichtsbarkeit gewahrt werden – Schiedsgerichtsbarkeit für den Handel durch den Handel.
Das Schiedsgericht erlässt nach Prüfung des Rechtsstreits einen streng vertraulichen Schiedsspruch. Eine Partei, die sich nicht an einen Schiedsspruch hält, riskiert auf eine «Schwarze Gafta-Liste» gesetzt zu werden. Die Liste ist einzig Mitgliedern zugänglich und kann ein wirksames Instrument für das Risikomanagement und die Sorgfaltsprüfung sein, die bei der Geschäftsaufnahme mit neuen Gegenparteien nötig ist. Handelt es sich bei der nichteinhaltenden Partei um ein Gafta-Mitglied, kann der Verband Disziplinarmassnahmen ergreifen – einschliesslich der Aussetzung oder Beendigung der Mitgliedschaft.
Gafta verfügt über einen Pool von 80 Schiedsrichtern, die aus verschiedenen Ländern und Handelsbereichen kommen. Schiedsrichter müssen sich zunächst ausbilden lassen und mindestens 10 Jahre relevante Handelserfahrung mitbringen. Gafta-Schiedsrichter kennen die Geschäftspraxis. Dies gibt Nutzern des Schiedsverfahrens die Sicherheit, dass das Schiedsgericht im Streitfall die Rechts- und die Handelspraxis versteht. Gafta-Schiedsverfahren sind wesentlich schneller und kostengünstiger als traditionelle Gerichtsverfahren.